Psalms 109

Text: Psalm 109,1-31 Der 109. Psalm heißt in seiner Überschrift Ein Psalm Davids, vorzusingen. Ist auch einer von den Leidens=Psalmen, und wird im Neuen Testament besonders von den Leiden, durch den ungetreuen Jünger Judas verursacht, angezogen. Er enthält vor andern Vieles von schweren Flüchen, die nach GOttes Vergeltungsrecht über die kommen werden, die diese Trübsal angelegt haben. Darüber entsteht billig die Frage: Wie hat man es doch anzusehen, daß unser lieber Heiland bei seinem wirklichen Leiden eine so unverbrüchliche Stille und Geduld bewiesen, und hier hingegen kommen so schwere Flüche vor? Er stellt es bei aller Geduld Dem heim, der da recht richtet, 1. Petr. 2:23. Durch alle Geduld des Leidenden wird der Gerechtigkeit GOttes nichts vergeben. Der da recht richtet, behält doch sein Recht an Den, der Trübsal anlegt, auch wenn der Leidende Fürbitte tut: Vergib es ihnen, behalte ihnen diese Sünde nicht, so gilt es zwar vor GOtt als ein liebliches Opfer. Aber ob wirkliche Vergebung erfolgen kann, das kommt noch auf Den an, der Unrecht getan hat, ob und wie er sich zur Erkenntnis und Abbitte seines Unrechts bringen läßt. Den HErrn, der ihm Recht spricht, hatte der HErr JEsus in seinem Leiden wohl vor Augen, Jesaj. 50, 6-8. Daraus stärkte Er sich aber in seiner Geduld. Daß aber hier und anderswo so bittere Klagen und schwere Flüche vorkommen, das hat man so anzusehen Beim unschuldigen Leiden ist im Herzen zweierlei. Eines Teils eine Empfindung, die der Leidende notwendig hat von dem Unrecht, so ihm widerfährt, und mithin auch von der Ansprache, die er an die Gerechtigkeit GOttes hat; andern Teils aber die Geduld, oder die Stärke Herzens, womit er die Empfindlichkeit überwindet, und seine Ansprache an die Gerechtigkeit GOttes wohl gar in Fürbitte verwandelt. Beides kann auf einmal im Innersten des Leidenden vorgehen. Aber es kann nicht auf einmal vorgestellt und in Worte gefaßt werden, darum ist es so geteilt, daß das eine in den Leidens Psalmen vor Augen gestellt ist, und doch das Andere unter dem wirklichen Leiden an dem Lamm GOttes geleuchtet hat. Das erste taugt ohnehin besser in die Schriften des Alten Testaments, und wie der Geist GOttes damals bei dem noch nicht so weit verklärten Geheimnis des Kreuzes vom Leiden gezeugt hat, das Andere aber ist der Art des Neuen Testaments gemäßer, wo die Hoffnung der Herrlichkeit unter dem Leiden schon mehr hervorgebrochen war, und der Geist GOttes als ein Geist der Herrlichkeit über dem Leidenden ruht, und also die Stille und Geduld auch völliger sein kann. Neben dem wird auf diese Weise auch etwas zur Verwahrung gesetzt, daß man an der Stille und Geduld des Leidenden nicht Gelegenheit nehme, sich desto frecher an Ihm zu versündigen, sondern fein auch bedächte, was zum Voraus auf seine Feinde ausgesprochen und geschrieben sei. So hat es auch unser lieber Heiland dem Judas neben einander hingelegt, Matth. 26, 24. Des Menschen Sohn geht zwar dahin - doch wehe dem Menschen - und endlich hat diese Vorherverkündigung der Schrift dazu gedient, daß dem Ärgernis vorgebeugt wurde, welches sonst für die Redlichen, aber in den Kreuzes=Wegen Unerfahrenen viel schwerer gewesen wäre. Darum hat sich der liebe Heiland auch in dem Vorfall mit Judas gegen seine Jünger auf die Schrift bezogen, und Petrus nachgehends Apostelg. 1, 16. ausdrücklich auf diesen 109. Psalm. Übrigens läßt sich derselbe füglich in zwei Teile einteilen, und fängt an, mit Gebet, aber so, daß die Klage und Beweggrund zur Erhörung von der Feinde Bosheit und Falschheit hergenommen ist, und also GOttes Vergeltungs=Recht über sie angerufen wird, V.1-20. Von dem wendet sich nun das Gebet so, daß die Klage und Beweggrund zur Erhörung von des Leidenden großem Elend hergenommen ist, und dabei verspricht er sich zuversichtlich einen guten Ausgang, V.21-31. So hatte unser leidender Heiland unter seinem Leiden eine Seele, in welcher GOtt verkläret war, und einen Leib voll Leiden, Schmerzen, Schmach und Hohn. Aber was GOttes Hand herausgebracht, das wird nun im Evangelium verkündigt und uns zum Glauben und Genießen vorgehalten.
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